-Volitus- 1. Aufzug 2.Teil

Jon vertrug gar keinen Alkohol, außerdem schmeckte er ihm nicht besonders, so wäre auch in diesem Fall ein Glas Cola mit Zitrone die bessere Wahl gewesen, aber er mochte die leichte Veränderung im Geschmack, die ihn zum gleichen Teil neu vorkommt und zum anderen vertraut. Außerdem half es ihm die Gedanken zu streuen, auch wenn er das so schon ganz gut konnte. Und auch dieses mal fiel ihm nicht sofort auf, dass er schon seit 3 Minuten auf den selben Fleck an der Wand starrte. Diese Uhr war für ihn ein besonderer Punkt von Interesse. Sie schien ihm als das langsamste und damit genügsamste im ganzen Raum. Neben den Figuren , die sich neben ihm vorbei drängten und denen die vor ihm arbeiteten. Selbst der eingesetzte Regen vor der Tür der Bar, der nun gegen die in Quadrate unterteilten Fensterscheiben tropfte, war für ihn ein im Vergleich zur Uhr unermesslich schnelle Tatsache. Das erschreckte ihn so sehr, dass er sich nicht bewusst wurde , wie er durch den Blick zum Fenster unweigerlich den Blick einer Frau fand, die sich genau am Fenster befand und den Raum zu begutachten schien, so wie er den Raum hinter den Scheiben begutachtet hatte.

Karin Iter konnte nicht übersehen, dass die Uhr sich heute langsamer bewegte als sonst. Die meisten Menschen merken es ihr Leben lang nicht, aber die Zeit ist variabel. Das ist vielen unterbewusst klar, und es nervt sie manchmal so sehr, dass es ihre ganze Stimmung verdirbt. Weil Karin das aber weiß ist es ihr egal und sie wurde so zur Beobachterin, die sich mit den Menschen auseinandersetzte, die sich ihrer Umgebung entziehen und sich selbst als Zentrum sehen.
Da war zum Beispiel der Prinz, der mal wieder um 22 Uhr , so wie jeden Freitag Abend, in die Tür hinein fiel , und das nicht allein. Daneben sah sie immer auch noch zwei andere Herren, sowie eine Frau, die jedoch im Gegensatz zu den Herren immer anders aussah. Das begann dann meistens mit dem Bestellen von einer Runde Cocktails für alle 4. Es war auch immer der selbe Drink, auch wenn Karin nicht wusste wie er hieß. Es war eine Mixtur aus gelben und grünen Farben, reich geschmückt mit allerlei Früchten und gold, silbern glitzernden Miniwuschel. Danach bestellte der Prinz einen Whisky, Glenlivet 21 Years mit Eis. Karin wusste, dass viele Menschen es als Abart ansehen, wenn man den Whisky mit Eis trinkt. Für den Prinzen, so glaubte sie, war es nur eine Art die Zeit zu strecken, bis die mitgebrachte Dame den zweiten Cocktail beendet, und den dritten Longdrink angefangen hatte. Sie mochte seine Erscheinung in schwarzem Anzug weder in dem Moment, wo er seinen Smaltalk begann, noch wo seine Kalkulation endete. Trotzdem besah sie ihn als eine Art missgebildete Attraktion immer wieder gerne, die ihr Bild von den selbst-verliebten Menschen auf jeden Freitag neu bestätigte.

Heute kam jemand in die Bar, den sie nicht kannte. Natürlich hatte sie ihn schon öfter gesehen, aber sie kannte ihn, so wie er jetzt war, nicht. Die grün-braune Jacke mit den Halbschuhen, der dunkelblauen Jeans und dem auffälligem Rucksack waren bekannt. Aber der Umstand, dass dieser Herr alleine da an diesem Platz saß, wo normalerweise niemand saß, das war vollkommen neu. Ziemlich schnell baute Karin trotzdem ein Bild in ihrem Kopf auf, was es sein könnte, dass an diesem Menschen nicht stimmt. Hier ihre Blitzanalyse :

  • Haare nicht gewaschen, seit 2 Tagen, also ist nicht viel unter Menschen
  • nächstes, die Augen schauen nicht ins Leere, also ein nervöser Mensch
  • nächstes, keine Begleitung, ist zu jung für eine Ehe, vermute Trennung von 2. oder 3. Freundin
  • nächstes, trinkt Cocktail, offensichtlich mit Cola, also mag keinen Alkohol, also kein starker Trinker
  • nächstes, Rucksack ist ein ungewöhnliches Modell, hat also einen Hang zum Ungewöhnlichen, aber nur portionsweise, also ängstlich und unbestätigt
  • nächstes, die Hände zittern nicht, also kein Kaffeetrinker
  • nächstes, die Augen unterlaufen, schläft schlecht
  • nächstes , der Boden unter der Person ist nicht nass , Blase funktioniert

Das letzte Argument ist ihr einfach bei ihrem internen Brainstorming durch gerutscht. Sie weiß, dass sie die Bilder von dem Mann, der ihr gegenüber sitzt in dem nächsten Moment aus ihrem Bewusstsein verdrängt hat, im übernächsten Moment aber in ihrem Unterbewussten wieder reaktivieren konnte. Dieses Bild ist ab jetzt fast nicht zu verrücken, es sei denn sie spricht die Person an. Dafür ist er ihr aber nicht wirklich interessant genug. Vielleicht tut sie es doch, dass zeigt der Abend. Bis zu diesem Moment ist ihr nicht aufgefallen, dass der Mann sie auf einmal auch sondiert, oder schaut er an ihr vorbei, da ist sie sich überhaupt nicht sicher. Ihr Gesicht ist nun abgewendet zum Prinzen, der sich an dem Bild labt, das er vor sich aufgestellt hat.

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