Ein Leben lang

Nun stell dir doch vor du bist ein ganzes Leben lang nicht mal bei 3 Arbeitgebern beschäftigt gewesen. Ich meine richtig beschäftigt, für mindestens mehr als ein Paar Monate.

Du hast in 4 Wohnungen gewohnt und hast 98 Menschen kennengelernt. Nur bei zwanzig von ihnen kannst du dich an die Namen erinnern.

Deine Blumen sind alle eingegangen und der Baum in deinem Garten stand schon, als du eingezogen bist. Du hast ewig vor einem Monitor gesessen, hast aber nur 123 mal den Sonnenuntergang gesehen. Du hast ihn nur zwanzig mal von Anfang bis Ende gesehen.

Du magst Butter lieber als Margarine, hast aber mehr Margarine gegessen. Insgesamt hast du mehr Dinge gegessen, als du wusstest. Das meiste davon würdest du normalerweise nie anrühren.

Du hast dich 14 mal wirklich verliebt. Acht mal hast du dich getraut zu fragen und 6 mal hast du mit einer anderen Person geschlafen. 3 mal konntest du mehr als ein Paar Monate mit der Person auskommen.

Du bist jetzt 81 Jahre alt und du bist noch ein Kind.

Die Kurve

Ja. Die Kurve existiert. Sie beschreibt das grundlegende Verhalten aller Auswirkungen auf ein Leben. Die Auswirkung ist zunächst klein, wird größer und erreicht dann irgendwann ihren Höhepunkt. Von diesem Höhepunkt an fällt die Kurve und ist unaufhaltbar.

Nun war es lange Zeit meine Ansicht und sie wurde oft als sehr pessimistische Ansicht gedeutet. Ich dachte darüber nicht nach. Die Kurve so wie sie ist, ist nichts was man Anschauung nennen sollte, sondern für mich Fakt.

Was den Pessimisten entgehen könnte ist, dass sie nie wissen können wo sie sich in der Kurve finden und viel wichtiger, sie können auch nicht wissen ob diese Auswirkung nicht Teil einer größeren Auswirkung sind. So kann also eine Kurve zu Ende gehen, aber das heißt nicht, dass die größere Kurve am Ende ist. Sie könnte noch ganz am Anfang stehen.

Anfang, Ende, Mitte

Auch wenn es mir so vorkam, dass folgende Stufen der Handlung immer nur mit dem Wort „müssen“ beschrieben werden konnten, so kommt mir jetzt eine andere Deutung viel sinnvoller vor.

Nämlich ist der Anfang einer Handlung das Wollen. Es ist ein Gefühl von Drang, der sich zwar wie ein müssen deuten lässt, sich aber nicht wie dieser anfühlt.

Am Ende dann kommt das echte müssen. Hier muss man aufhören. Es ist bezeichnend für das Ende und sollte nicht so genannt werden, verhielte es sich anders.

Dazwischen ist der Große MischMasch. Es ist nicht sicher ob die Ausführung oder eher das Erleben der echten Handlung gewollt oder zwangsweise so verläuft. Es würde mich auch wundern, wenn jemand eine klare Antwort darauf hat.

Das Morgenlied

Nun schreite herab, titanischer Bursche,
Und wecke die vielgeliebte Schlummernde dir!
Schreite herab, und umgürte
Mit zartlichten Blüten das träumende Haupt.
Entzünde den bangenden Himmel mit lodernder Fackel,
Daß die erblassenden Sterne tanzend ertönen
Und die fliegenden Schleier der Nacht
Aufflammend vergehen,
Daß die zyklopischen Wolken zerstieben,
In denen der Winter, der Erde entfliehend,
Noch heulend droht mit eisigen Schauern,
Und die himmlischen Fernen sich auftun in leuchtender Reinheit.
Und steigst dann, Herrlicher du, mit fliegenden Locken
Zur Erde herab, empfängt sie mit seligem Schweigen
Den brünstigen Freier, und in tiefen Schauern erbebend
Von deiner so wilden, sturmrasenden Umarmung,
Öffnet sie dir ihren heiligen Schoß.
Und es erfaßt die Trunkene süßeste Ahnung,
Wenn Blütenglühender du das keimende Leben
Ihr weckest, des hohe Vergangenheit
Höherer Zukunft sich zudrängt,
Das dir gleich ist, wie du dir selber gleichst,
Und deinem Willen ergeben, stets Bewegter,
Daß an ihr ein ewig Rätselvolles
In hoher Schönheit sich wieder künftig erneuert.

–Georg Trakl

Das unheilvolle Ganze

Können Sie sich das Unendliche vorstellen ? Ich auch nicht. Nun ja, ich kann mir das vielleicht schon vorstellen , aber nur mit einem kleinen Trick. Ich stelle mir ein Ende vor und dann einen Schritt über das Ende hinaus. So werden sie es auch in der Mathematik häufig wiederfinden. Das oder diese liegende 8 , die ihnen die Unendlichkeit repräsentieren soll. Man spricht beim ersten, noch vorstellbaren , von einer potentiellen Unendlichkeit und bei der liegenden 8 von einer aktualen Unendlichkeit. Diese ist eben nicht vorstellbar.

Wie sieht es denn dann aus mit dem anderen, mit dem endlichen ? Man müsste doch annehmen, dass es in aller Klarheit und Deutlichkeit zu vermessen sein müsste. Ist es aber nicht. Wir können uns ihm annähern. Wir können die Grenze willkürlich festlegen und ungenau sein, aber wir können nicht sagen wo das Ende ist. Es zeigt sich dann nämlich, dass sich das Endliche wieder im Unendlichen verliert. Das passiert mit Formen im Raum und mit der Zeit, die wir zu bestimmen suchen. Es gelingt uns nicht, ein Ende zu definieren. Natürlich gibt es auch da wieder einen Trick. Es ist eine willkürliche Grenze zu ziehen und , falls diese Überschritten ist, zu sagen, dass das das Ende sei. Nur das Ende selbst , von den Dingen, die nicht unsrem Kopf aus Willkür und Definition entspringen, ist nicht zu finden.