Ein zweiter Brief

Du kannst nicht einfach so tun, als wäre dein Leben die einzige Qual gewesen,
die einzige Hölle, die dich verleitet hat so zu handeln, wie du gehandelt hast.

Wir alle haben so gelitten und leiden noch mehr als du, aber was kümmert es dich
jetzt noch, wo du nicht mehr hier bist.

Ich habe Angst um mich. Ich will nicht das es mich auffrisst und steuert, dieser
Gedanke an Verlust, der ja immer wieder zur Angst führt und Angst ist es was
ganz am Ende alles bestimmt bei mir.

Wie konntest du nur? Wie konntest du mich alleine lassen, als alles besser wurde.
Wie konntest du uns alleine lassen, als Mama dich gebraucht hat, als Papa daran
glaubte, dass er endlich sowas wie einen Alltag in unseren Nicht-Alltag gebracht
hatte.

Gerade als ich mir eingebildet habe, dass ich etwas alleine geschafft habe und nicht
mehr fürchten musste, an so etwas wie Geld oder Unfähigkeit im Leben zu scheitern,
lässt du mich wieder scheitern und zurückfallen.

Wieso immer wieder diese Tests, Herr? Wieso machst du mein Leben so schwer, dass
ich immer besser verstehe, wieso einige ihr Leben ablehnen, aber es nie, nie, nie
ihnen gleich tun würde.

Wie lange wird es noch dauern, bis ich selbst mich erholt habe von diesem Scheiß.
Und selbst wenn, wie könnte ich je wieder sicher sein, dass nicht der nächste, den
ich liebe von irgendeiner scheiß Brücke springt oder sich ein Seil um den Hals legt.
Vorhersehen könnte ich das nicht. Hab ich ja schon mal nicht geschafft.

Ich versage in so etwas wie einem engen Familienmitgleid und da soll ich auch nur ansatzweise
in der Lage sein, ein Vertrauen zu einem Fremden zu fassen. Wie soll das gehen? Siehst
du jetzt, was du mir alles kaputt gemacht hast? Die Tatsache, dass ich dich für vollkommen
normal und fast so wie mich gehalten habe und immer noch halte, erlaubt es mir
nicht, dich als verrückten, durchgeknallten Psychopat oder Depressiven darzustellen.
Selbst wenn man mir 100 Chats von dir zeigt oder E-Mail Kontakte. Es hilft nicht, diese
Wahrheiten gegen meine echten, lebendigen Erinnerungen an dich zu messen. Die gewinnen
immer.

Ich wünschte ich müsste wegen dir nicht mehr weinen. Nicht mehr nach schon 2 Jahren,
aber ich schaue mir nur ein Bild an, erinnere mich an eine gemeinsame Zeit mit dir und
ich kann nicht anders. Ich wünschte du wärst noch hier. Ich wünschte wir könnten uns
streiten und wir könnten nie wieder miteinander reden, aber ich wünschte so sehr
du wärst noch hier.

Was aber, wenn

Ich lese zur Zeit ein Buch, das einem Zyklus folgt von insgesamt 10 Büchern oder mehr. Diese Bücher habe ich alle schon einmal gelesen. Es ist lange her, dass ich diese Bücher gelesen habe. Das ganze ist so lange her, dass ich das meiste nicht mehr weiß, bevor ich es nun erneut gelesen habe. Das freut mich, da die Geschichte mir schon damals gefallen hat.

Was aber, wenn dieses Gefühl selbst schon dazu zählt zu dem was ich nicht erneut fühlen kann. Ich fühle ein neues Gefühl, welches doch leicht anders und irgendwie schwächer ist. Das Erinnern und die Freude darüber ist der Entdeckung und der Freud darüber unterlegen. Ich wünschte ich könnte neu entdecken, von dem ich schon weiß das es gut ist, aber das ist unmöglich.

Trotzdem freue ich mich über das Buch und alles. Im Moment mag ich mein Leben wieder sehr.

Als du jung warst

Als du jung warst, gab es für alles eine Zeit und einen Ort.

Morgens kam deine Mutter oder dein Vater in dein Zimmer und schaltete das Licht an. Du bekamst das Frühstück und konntest mit deinen Schulsachen zur Schule gehen. Deine Mutter oder eine Nachbarin hat dich zur Schule begleitet.

Deine Mutter ging zu Freundinnen und dein Vater war arbeiten. Es gab um 14 Uhr oder so Mittagessen, wenn du aus der Schule kamst. Deine Freunde kamen manchmal mit und ihr habt alle zusammen gegessen. Danach konntet ihr zusammen spielen. Dein Vater kam von der Arbeit zurück und aß und lag auf dem Sofa im Wohnzimmer. Deine Freunde gingen um 18 oder 19 Uhr oder so. Wenn sie abgeholt wurden, konnten sie noch etwas länger bleiben, weil deine Mutter und die Mutter deiner Freunde noch miteinander geredet haben.

Abends dann gab es ein Abendessen und deine Mutter und dein Vater saßen zusammen mit dir am Tisch. Normalerweise gab es Brot und Aufschnitt auf dem Tisch und alle haben sich ihr Brot selbst gemacht. Abends dann bist du ins Bett gebracht worden. Das hast du allein gemacht. Manchmal hast du dann noch ein Hörspiel auf deinem Kassettenrekorder gehört. Dein Vater und deine Mutter haben noch Fern gesehen. Ganz manchmal, wenn du nicht einschlafen konntest, hast du dich in den Flur gesetzt um gerade eben, ohne dass dein Vater und deine Mutter es bemerken konnten, auf den Fernseher sehen zu können. Oft auch waren es die Geschichten und Geräusche von drüben, die dir geholfen haben einzuschlafen.

Das ist alles nicht mehr. Es gibt kein Aufstehen, kein Frühstück, keine Freunde, kein Abendessen, kein Hörspiel und kein Einschlafen. Es gibt das nicht mehr mit ihnen mit den Menschen. Die Menschen sind das wichtige. Das wichtigste ist, dass sie da sind.

Déjà-vu

Heute schon wieder und gerade das wundert mich. Ich hatte noch keines, in dem ich genau wusste, dass ich es schon mal hatte. Es ist also zur selben Zeit schon einmal passiert. Ich vermute bald, dass es eine besondere Idee oder ein besonderes Ereignis betrifft, welches durch das immer schneller wiederkehrende Erinnern besonders im Gedächtnis bleibt bzw. geblieben ist.
Sollte ich mich davor fürchten ?