Der Feind

Ich lebe ein sehr ausgeglichenes Leben. Meine Tage bestehen entweder daraus mich mit Ideen auseinanderzusetzen, die jemand anders hatte oder eigenen. In beiden Fällen mache ich aus diesen Ideen etwas, was dann wieder jemand nutzen kann.

Soviel zu meinem Beruf. Der Beruf ist nicht schwer. Ich erlebe ab und zu so etwas wie eine Achterbahnfahrt, aber die ist zunächst nicht besonders heftig, noch ist sie besonders lange. Die meiste Zeit weiß ich, was ich zu tun habe und ich weiß auch, dass ich das was ich tun soll, schaffe. Also gibt es keine großen Überraschungen.

Ich habe sogar so viel Zeit, dass ich mich um andere kümmern kann. Ich biete den Menschen in meinem sozialen Umfeld gerne meine Hilfe an. Ich versuche auch so viel wie möglich zu tun, um Ihr Leben zu verbessern. Ich erhebe dabei selbst kaum bis gar keine Ansprüche. Das hört sich viel karitativer an, als es in Wirklichkeit ist. Ich mache nämlich nur selten selbst Vorschläge. Höchstens wenn ich zufällig etwas höre oder sehe, von dem ich weiß, dass ich helfen könnte, werde ich aktiv.

In meiner Freizeit, von der ich viel habe, pendle ich zwischen viel und wenig. Habe ich viel vor, dann stellt es sich meist heraus, dass ich gar nicht so viel zu tun hatte und habe ich wenig zu tun, dann habe ich meist sehr wenig zu tun. Aber ich bedaure das auch nicht. Mein Alltag wird dadurch angenehm ruhig und entspannt. Ich kann mir Zeit nehmen einzukaufen oder meine Hausarbeiten zu erledigen.

Wieso heißt der Beitrag „Der Feind“? Ich denke ich möchte das finden, was noch nicht rund läuft. Und ich erwische mich manchmal bei dem Gedanken, dass ich alleine bin. Ich bin nicht allein. Ich habe Freunde, die ich in guten Abständen voneinander sehe und mit denen ich Dinge unternehme. Ich schreibe mit Ihnen und könnte sie sogar anrufen. Das wäre überhaupt kein Problem. Was mir aber fehlt ist eine Sache und die habe ich überhaupt nicht mehr oder nur sehr, sehr eingeschränkt. Mir fehlt die körperliche Nähe zu einem Menschen.

Ich rede nicht von Sex. Ich rede davon mit einem anderen Menschen zusammen zu sein. Ich rede davon neben einer Person zu sitzen und meinen Kopf auf Ihrer Schulter zu legen. Ich rede davon die Hände der anderen Person zu halten. Ich meine das Gefühl die Haare zerstrubbelt zu bekommen und einen Menschen von Hinten zu umarmen. Ich träume davon wie ein anderer Mensch auf meinem Rücken liegt.

Diese ganzen Dinge hatte ich mal in gewisser Art und Weise. Aber ich hatte sie einfach so und sie zu erfahren war an nichts gebunden. Es gab keine Abhängigkeiten oder Bedingungen. Ich rede von dem Zusammensein einer Familie. Das Gefühl geborgen zu sein in einem Verband und einer Struktur, die mich stützt und alleine dadurch, dass sie mich stützt auch von mir gestützt wird. Diese Vorstellung entbehrt jeder Logik, aber sie war so selbstverständlich, dass ich nie gedacht habe, dass sie aufhört.

Sie hat aufgehört, erst langsam und jetzt fast vollständig. Sie hat bis zu dem Punkt aufgehört zu sein, wo ich so tue als ob sie noch da wäre, nur damit ich mir selbst nicht vollständig eingestehen muss, dass sie nicht mehr da ist.

Der Feind ist nun also das Problem, dass ich so etwas wie bedingungslose Zuwendung und Liebe nie wieder werde haben können und mich mit der Realität herumärgern darf. In der echten Welt, gibt es natürlich sehr, sehr nette Menschen. Und die Menschen haben mehr als einmal gezeigt, dass Sie sich absolut uneigennützig verhalten können, aber die Garantie ist weg.

Und mit Garantie meine ich die natur-gegebene Verbindung durch die Familie. Klar. Ich belüge mich hier ein wenig. Es gibt Familien und ich sehe es ja auch an meiner eigenen, wo diese Garantie auch nicht mehr da ist. Vielleicht gab es sie sogar nie, aber zumindest habe ich sie mir eingebildet; so echt war sie dann zumindest doch.

Jetzt muss ich eine Regel erfüllen, ein Gleichgewicht schaffen indem ich gebe und gebe und nur das nehme, was ich gegeben habe und mehr nicht, sonst muss ich mehr geben. Und diese Abhängigkeit, dieses kleine Gefängnis, passt nicht in meine Vorstellung von Ausgeglichenheit. Liest man nämlich meine ersten Abschnitte, dann tue ich zwar gerne etwas für andere aber ich habe auch betont, dass ich es aus freien Willen tue und es mir wichtig ist, dass kein Gleichgewicht, keine Abhängigkeit daraus wird.

Der Feind ist als die Vergangenheit, die mir gleichzeitig die Sehnsucht und die Angst davor liefert, dass ich sie nicht mehr wieder bekomme. Ich will sie nicht missen, aber mir wäre lieber, manchmal lieber, ich hätte sie nicht gehabt.

Weil ich nicht anders kann…

So wie jedes Mal und schon oft hier aufgeführt, fehlt mir die Distanz zum Moment. Wenn mir jedes Mal, wo ich etwas dummes getan habe sofort die Distanz gegeben wäre, die ich brauche um diese Dummheit zu erkennen, wäre ich ein glücklicherer Mensch. Aber die Distanz habe ich nicht in diesem Moment.

Ich verfolge dabei auch den falschen Ansatz. Anstatt mich mit dem Gegenstand auseinander zu setzen und so eine Distanzierung zu erreichen, eine Distanz von mir selbst, versuche ich die Situation „auszuhalten“ und dann über die Zeit distanziert zu betrachten. Das Aushalten muss jetzt vieleicht noch genauer ausgeführt werden.

Es gibt Situationen, Dinge, Verhalten und so weiter, was in der einen Situation völlig ok und normal sind und ich verschwende keinen Gedanken daran. Oder ich kann sie einfach ausblenden und das ist ok. Andere male erlebe ich sie per Aussenschau und kann, weil ich nicht betroffen bin meinen ruhigen, intellektuellen bzw. pseudo-intellektuellen Quark dazu abgebeben. Aber auch öfter betreffen mich die Dinge direkt und unmittelbar. Dann bin ich Gegenstand einer Situation oder mir wiederfahren Dinge und ein bestimmtes Verhalten betrifft mich. Und wenn ich mir dann Denke, dass ich das jetzt nicht will, dann kann ich es nicht fallen lassen, sondern beziehe es absolut auf mich.

Das fühlt sich dann an, wie ein Stich, wie ein Eingriff in mein Ich, den ich nicht möchte und den ich absolut unmöglich finde. Ich kann mir dann nicht vorstellen wie irgendein Mensch so handeln kann, wie irgendein Ding so sein kann und wie mir so etwas passieren kann. Und in jedem dieser Sätze bin ich verwickelt. Was ich dann versuche ist das Aushalten. Ich lasse diese Dinge ganz nah an mich heran, aber ich versuche nicht zu zeigen, wie nah sie mir gehen. Ich überspiele es und reagiere gelassen. Der ein oder andere kann das lesen und merkt dann, dass was nicht stimmt. Im schlimmsten Fall versucht er darauf einzugehen und thematisiert mein Aushalten. Dann wird es entweder viel, viel schlimmer oder ich finde eine Möglichkeit der Entspannung. Das kann auch in einfachen Gesprächen passieren. In diesen Gesprächen finde ich dann keine Lösung, sondern versuche den Umstand weg zu diskutieren, dass ich ein Problem hätte. Das ich zum Beispiel etwas nicht verstanden habe.

All das verstehe ich unter Aushalten. Und viel geht schief deswegen. Es geht nicht um diese Art von Aushalten. Es geht um die Distanz im Moment zu finden. Natürlich das ganze an sich heran zu lassen und zu erfühlen aber auch dann so weit reflektieren zu können, dass man das theamtisiert, was dann nicht stimmt. Und vor allem nicht sich selbst als Maxim zu erklären, damit man sich nicht einen möglichen Lösungsweg versperrt. Aber trotzdem beharren auf dem, was man denkt, wenn man davon überzeugt ist.

Und wenn ich das im Hinterkopf behalte, dann geht es nicht mehr darum ein Argument zu gewinnen. Dann ist noch nicht mal die Zustimmung des anderen besonders wichtig, aber der Weg dahin und zu erkennen, wieso man selbst so ist, wie man ist.

Als du jung warst

Als du jung warst, gab es für alles eine Zeit und einen Ort.

Morgens kam deine Mutter oder dein Vater in dein Zimmer und schaltete das Licht an. Du bekamst das Frühstück und konntest mit deinen Schulsachen zur Schule gehen. Deine Mutter oder eine Nachbarin hat dich zur Schule begleitet.

Deine Mutter ging zu Freundinnen und dein Vater war arbeiten. Es gab um 14 Uhr oder so Mittagessen, wenn du aus der Schule kamst. Deine Freunde kamen manchmal mit und ihr habt alle zusammen gegessen. Danach konntet ihr zusammen spielen. Dein Vater kam von der Arbeit zurück und aß und lag auf dem Sofa im Wohnzimmer. Deine Freunde gingen um 18 oder 19 Uhr oder so. Wenn sie abgeholt wurden, konnten sie noch etwas länger bleiben, weil deine Mutter und die Mutter deiner Freunde noch miteinander geredet haben.

Abends dann gab es ein Abendessen und deine Mutter und dein Vater saßen zusammen mit dir am Tisch. Normalerweise gab es Brot und Aufschnitt auf dem Tisch und alle haben sich ihr Brot selbst gemacht. Abends dann bist du ins Bett gebracht worden. Das hast du allein gemacht. Manchmal hast du dann noch ein Hörspiel auf deinem Kassettenrekorder gehört. Dein Vater und deine Mutter haben noch Fern gesehen. Ganz manchmal, wenn du nicht einschlafen konntest, hast du dich in den Flur gesetzt um gerade eben, ohne dass dein Vater und deine Mutter es bemerken konnten, auf den Fernseher sehen zu können. Oft auch waren es die Geschichten und Geräusche von drüben, die dir geholfen haben einzuschlafen.

Das ist alles nicht mehr. Es gibt kein Aufstehen, kein Frühstück, keine Freunde, kein Abendessen, kein Hörspiel und kein Einschlafen. Es gibt das nicht mehr mit ihnen mit den Menschen. Die Menschen sind das wichtige. Das wichtigste ist, dass sie da sind.

Spoiled

Als ich ein Kind war, hat mein Vater im Wohnzimmer oft Kekse und Kaffee nach dem Mittagessen gegessen. Ab und zu haben ich und mein Bruder einen Keks abbekommen. Es waren früher oft diese Kekse mit der Schokoladenfüllung oder ganz selten auch Butterkekse überzogen mit Schokolade. Diese seltenen und wenigen Kekse habe ich dann sehr langsam gegessen und nur kleine Bissen davon auf einmal genommen. Bei denen mit Schokolade überzogenen Keksen habe ich den überstehenden Rand abgeknabbert, weil ich so pure Schokolade essen konnte, was noch viel seltener war.

Heute war ich bei Aldi und habe mir wahrscheinlich das erste mal diese Kekse gekauft. 65 Cent die Packung und ich sitze hier und verspüre nicht den Drang den Rand abzuknabbern oder den Keks besonders langsam zu essen. Ich habe mir schließlich auch zwei Tafeln Schokolade gekauft. Nicht die normale Vollmilch, sondern die mit ganzen Nüssen und die mit Nüssen und Trauben.

Draußen vor dem Aldi saß ein Mann mit einem Akkordeon und spielte für die Käufer. Dabei nuschelte er eine Melodie vor sich hin. Ich kam nicht herum ihm zu sagen…

WELCOME TO FUCKING CAPITALISM YOU STUPID HOBO!

Der Zwang, die Sehnsucht, die Freiheit

Die Kenntnis darüber, dass mit den Menschen nicht geredet werden muss, selbst wenn sie einem gegenüber stehen, ist kein Trost mehr.

Der Zwang mit ihnen zu reden, erfolgt nicht mehr nur daraus, weil ich gelernt oder abgeschaut habe, dass ich es tun sollte, sondern aus dem Bedürfnis mit ihnen zu reden, weil sonst niemand mehr redet.

Das Reden wird aber, und das ist das Dilemma, zur Qual, sobald Angefangen wurde zu reden. Die Sehnsucht nach dem Reden entsteht aus der Freiheit es nicht zu tun.

Die Sehnsucht nach allem entsteht aus der Freiheit es nicht zu tun.

Der freie Wille

Es ist ein großer Scherz.

Er kann nicht funktionieren. Es entspricht nicht der Vorstellung von etwas das wir für real halten würden. Es entspricht auch keiner logischen Kette die wir im Stande sind aufzubauen. So muss der Mensch in seinem Mensch-Sein zugeben, dass es ihn nicht gibt.

Viel einfacher ist es anzunehmen , dass alles Gründe hat, die jeweils von Gründen geprägt sind. Das sich also eine sehr lange Kausalkette aufgebaut hat, in der gesamten Zeit, die wir überblicken können und wiederum nicht. Denn dadurch, dass wir den Überblick über diese Kette , mit ihren vielen Nebenketten, verloren haben, macht sich ein Gefühl und eine Ahnung bereit in das kausale Denken einzudringen. Es handelt sich dabei um den eben verspotteten freien Willen. Auch diese , aus Mangel an Überblick geborene Idee ist ein Teil des Mensch-Seins.

So ist beides begründet.

Ich will den freien Willen dennoch nicht abschreiben. Er ist eine Stütze und ein riesiger Katalysator für den Verstand. Das liegt daran, dass unmittelbare Ursachen schneller eingeführt werden in die lange kausale Kette, wenn der Ausführende durch seine Begrenzungen nur auf das Unmittelbare Rücksicht nimmt und so schneller handelt ( entscheidet ). Praktisch gesehen ist die Idee des freien Willens ein Garant für die Fortführung der Kette, die sonst Gefahr laufen könnte, zu stagnieren. Ein an den Determinismus gefesselter Mensch verliert schnell den Glauben an den freien Willen und verhindert so teilweise die Einbindung neuer Ursachen oder Gründe in die Kette. Deshalb ist der freie Wille zu bewundern. Wegzudenken ist er sowieso nicht und als Mensch mit Verstand in seiner Funktion auch leichter zu akzeptieren.

Eine warme, bewegliche Masse

Eine warme, bewegliche Masse in den Armen. Die Masse kann verändert werden und reagiert darauf. Sie hat unterschiedliche Widerstände. Die meiste Zeit über verhält sie sich unvorhersehbar. Wenn wir sie nicht haben können , wollen wir sie haben und wenn wir sie haben, dann ist sie so , als könnten wir sie nicht verlieren. Wenn wir sie nicht haben, dann ist sie überall nur nicht bei einem selbst. Wo ist sie die Masse? Wieso ist sie so wie sie ist? Was ist sie ?

Vogelthese

Wenn ein Vogel fliegt , dann tut er das doch nicht so wie er es gerne möchte, sondern so wie die Luft, der atmosphärische Druck und die Winde ihm das vorgeben. Er kann zwar versuchen dagegen zu flattern oder halt so minimalen Auftrieb zu schaffen, aber allzu oft sieht man eine Möwe, die gerade so in der Luft steht, weil sie nicht anders kann und wenn ein Vogel Pech hat, dann wird es doch bestimmt schon mal vorgekommen sein, dass ein solcher in Regionen getragen wurde, in denen er selbst nicht mehr überleben kann.

Wie verhält es sich jetzt mit dem Mensch. Er geht , heute, auf Fußgängerwegen, Straßen oder generell auf vorgegebenen Strecken. Er nimmt aber trotzdem an, die Freiheit zu besitzen überall hingehen zu können. Ich möchte denjenigen sehen, der heute den Fußweg verlässt und über das Feld läuft um zu dem Baum zu kommen, den er schon immer gesehen, aber nie berührt hat.